Für eine grüne Lebendigkeit in Städten

Kongress verabschiedete Berliner Appell zur Stadt-, Freiraum- und Verkehrsplanung

(17.03.13) In der weiß verschneiten Bundeshauptstadt Berlin diskutierten Mitte März etwa 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 19. Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongresses über die „grüne Stadt der Zukunft“. Die vom Arbeitskreis Verkehr und Umwelt UMKEHR e.V. und dem Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. organisierte und von der TU Berlin und zahlreichen Verbänden wie der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL, dem VCD, dem BUND, der Grünen Liga und autofrei leben! mit getragene Fachtagung wurde vom Umweltbundesamt und dem Umweltministerium gefördert. Die aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Initiativen, Verbänden, Wissenschaft, Planung und Politik verabschiedeten einen Berliner Appell zur Stadt- und Freiraumplanung „Städte in Zukunft: urban + mobil + grün!“ Einige der zentralen Aspekte des Appells lauten:

Urbanität und „durchgrünte Städte“ sind zwei wesentliche Voraussetzungen für einen gesundheitserhaltenden Lebensraum. Bereits das Bewusstsein, in einer grünen Umgebung zu wohnen, oder der Blick auf Grünflächen hat nachgewiesenermaßen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und Zufriedenheit der Menschen. Noch deutlicher wird der Gesundheits- und Wohlfühleffekt bei der Nutzung von Grünanlagen zu Spaziergängen, für Sport und Bewegung sowie als Spielraum für Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus sind begrünte Freiflächen zum Erhalt des Tier- und Pflanzenreichtums, als Frischluftschneise und Staubfilter, zur Kleinklimaverbesserung, der Grundwassererneuerung und auch zur städtebaulichen Gliederung des Siedlungsraumes unverzichtbar. Grüne Freiräume sind eine kompromisslose Bastion gegenüber anderen Ansprüchen; wo Grün ist, gibt es keine Bebauung oder versiegelte Straßenflächen.

Allerdings sind Pflanzen schneller zerstört als nachgewachsen. Deshalb ist eine weitere Versiegelung von Grünflächen und öffentlich zugänglichen Kleingartenanlagen unvertretbar, solange es noch ungenutzten Altbaubestand und Brachflächen in den Städten gibt. Gefordert wurde zum Beispiel, Bäume mit einem Alter von über 100 Jahren intensiv durch Bestandsschutz und Streusalzverbot zu schützen. Die Bürgerinnen und Bürger wurden dagegen aufgefordert, die von Ihnen genutzten Anlagen wertzuschätzen und pfleglich zu behandeln. Da stadtnahe Spaziergänge noch immer generationsübergreifend in der Freizeitgestaltung auf Platz 1 stehen, bieten gerade städtische Grünanlagen einen guten Ansatzpunkt für die Beteiligung von Anwohnerinnen, Anwohnern und örtlich tätigen Vereinen von der Planung bis zur Pflege. Durch Personal- und Haushaltsabbau sind die Kommunen mehr und mehr auf die Initiativen aus der Bevölkerung angewiesen. Deshalb sollten die zuständigen Verwaltungen selbst bei ungenehmigten Pflanzaktionen vorrangig die kontinuierliche Pflege sichern und individuelle Baumscheiben-, Balkon-, Terrassen- und Dachbepflanzungen, Fassadenbegrünungen und offene Gemeinschaftsgärten fördern.

Grüne Freiräume sollen mit einem fünfzehn minütigen Fußweg von allen Wohnungen der Stadt verkehrssicher und barrierefrei erreichbar sein. Sie sind gerade dort unabdingbar, wo Menschen wohnen, die unterdurchschnittlich das Auto nutzen, aber überdurchschnittlich unter dem Kraftfahrzeug-Verkehr leiden, zum Beispiel an Hauptverkehrsstraßen durch extrem hohe Lärm- und Staubbelastungen. Begrünungen sollen die klassischen Luftreinhalte- bzw. Lärmminderungsmaßnahmen (Umweltzone, Lkw-Verbot, Tempo 30, etc.) unterstützen. Die Stärkung der Naherholung, Nahversorgung und Nahmobilität müssen auch in Zukunft zentrale Ziele der Stadtpolitik sein!

Eine Stadt bedarf einer ausgewogenen Mischung sowohl von Straßenbepflanzungen oder Vorgärten, kleinen grünen Inseln (Plätzen), Grünanlagen in Stadtteil-Nähe (Parks, offenen Kleingärten, Friedhöfen), größeren, nicht vom motorisierten Verkehr durchquerten Grünflächen in Zentrumsnähe (Stadtparks) sowie verbindenden grünen Achsen (Alleen, grünen Hauptwegen, etc.). In Stadtteilen mit Blockbebauung ist der Schwerpunkt auf die Nutzung von Plätzen und Kreuzungen zu legen. Freistehende Hochhaus- oder sogenannte Trabantenstädte mit viel Platz, Luft und Grün, aber wenig öffentlichem Leben sollten mit Programmen zur Förderung fußläufiger Verbindungen zu Kultur-, Verweil- und Bürgerschaftsangeboten aufgewertet werden. Selbst in Kleinstädten und Dörfern sind geschlossene Wegenetze für Spaziergänge erforderlich.

Besonders vorteilhaft für mobile Freizeitaktivitäten sind grüne Wegeverbindungen. Sie müssen allerdings auch über Kfz-Verkehrsflächen sicher geführt werden. An Übergängen über Fahrstreifen ist insbesondere auf die Verbesserung der Sichtverhältnisse zwischen den Verkehrsteilnehmern, die frühzeitige Erkennbarkeit einer Querungsstelle für die Kfz-Fahrer und die Reduktion der Fahrgeschwindigkeiten zu achten. Gerade bei Grünverbindungen muss möglichen Konflikten zwischen Fußgänger/innen und Radfahrer/innen durch eine konsequente Trennung der Wege vorgebeugt werden. Eine generelle Freigabe des Radfahrens auf allen Wegen innerhalb von Grünanlagen wird von den Teilnehmenden abgelehnt. Hermetisch abgeschlossene Wohnviertel („Gated Communities“), so wie sie neuerdings auch in deutschen Städten angelegt werden, sollten per Gesetz zukünftig verhindert werden. Die Kommunen müssen auf solche Durchgänge, sowie auf Uferwege oder Wege entlang von Bahnstrecken Zugriff erhalten.

Grünflächen und ein „humanisierter“ - ruhiger, langsamer, rücksichtsvoller - Straßenverkehr sind wichtige Standortfaktoren und herausragende Kriterien im Wettbewerb der Städte, der sich im Rahmen von Globalisierung und abnehmenden Bevölkerungszahlen in Deutschland noch weiter verstärken wird. Entsprechend engagierte Städte können Einwohnerinnen und Einwohner zum Bleiben bewegen und gleichzeitig neue Bewohner und Gäste (Tourist/innen) anwerben. Die Städte sollten ihre diesbezüglichen Qualitäten verstärkt als ein Herausstellungsmerkmal in das Stadtmarketing aufnehmen.

Kurznotiz:

Für eine grüne Lebendigkeit in Städten

Vom 19. Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongresses wurde im März ein Berliner Appell zur Stadt- und Freiraumplanung „Städte in Zukunft: urban + mobil + grün!“ verabschiedet. Danach sind Urbanität und „durchgrünte Städte“ zwei wesentliche Voraussetzungen für einen gesundheitserhaltenden Lebensraum. Die Bürgerinnnen und Bürger werden aufgefordert, die von Ihnen genutzten Anlagen wertzuschätzen und pfleglich zu behandeln. Städtische Behörden sollen dagegen selbst bei ungenehmigten Pflanzaktionen ein Auge zudrücken, wenn die kontinuierliche Pflege gesichert werden kann. Grüne Freiräume sollen mit einem fünfzehn minütigen Fußweg von allen Wohnungen der Stadt verkehrssicher und barrierefrei erreichbar sein. Die Kommunen müssen auf Blockdurchwegungen, Uferwege oder Wege entlang von Bahnstrecken einen direkten Zugriff erhalten. Städte, die sich für einen ruhigen, langsamen und rücksichtsvollen Straßenverkehr und eine zusammenhängendes Grünwegenetz einsetzen, können Einwohnerinnen und Einwohner zum Bleiben bewegen und gleichzeitig neue Bewohner und Gäste anwerben. Die Stärkung der Naherholung, Nahversorgung und Nahmobilität müssen auch in Zukunft zentrale Ziele der Stadtpolitik sein!

Der direkte Link zum vom Kongress verabschiedeten Berliner Appell.

 

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